Artikel aus dem Archiv der Website von Joachim Scholz

Der beschrankte Bahnübergang in Paulinenaue ist nun schon seit drei Jahren Geschichte und man kann sagen, dass die Paulinenauer den Wegfall der „Schranken“ recht gut verkraftet haben. Kein Wunder, denn die Schranken waren vor allem Zeiträuber und hatten nur wenige Vorteile. Wohnte man als Schulkind beispielsweise „hinter den Schranken“, konnte man ein kurzes Zuspätkommen damit begründen, dass „die Schranken zu“ waren. In besonders argen Fällen ließ sich diese Ausrede sogar steigern. Es waren dann „Züge rangiert“ worden, und das hatte seine Zeit gedauert.

Auf dem Heimweg bekam man es dann allerdings sehr oft schon wieder mit den Nachteilen der Schranken zu tun. Schon vor dem Einbiegen in die Ruppiner Straße erkannte man hinter der Mauer, die den Bürgersteig begleitet, die aufragenden Spitzen der rot-weißen Stangen – oder eben nicht. Die Schranken waren dann geschlossen und es hieß warten, mitunter lange warten. In den Erinnerungen wohl jedes Paulinenauers spielt die an den Schanken zugebrachte Zeit eine gewisse Rolle. Man konnte diese Zeit auf unterschiedliche Weise überbrücken. Ich erinnere mich, wie ich nach dem Kindergarten vorn auf dem Fahrrad meines Vaters sitze und wir auf dem angrenzenden Feuerwehrvorplatz versuchen, die Zahlen eins bis neun als imaginäre Figuren zu fahren. Weniger kreativ war es, sich das an der Tür des Stellwerks befestigte Schild mit der Aufschrift „Der Zutritt zu den Stellwerksräumen ist Personen nur zu dienstlichen Zwecken gestattet“ wieder und wieder durchzulesen. Vor allem aber ließ sich an den Schranken herrlich darüber nachdenken, wie lange man in seinem Leben wohl schon an den Schranken gestanden hat. Bei nur fünf Minuten täglich ergab sich für ein Jahr schon mehr als ein Tag Wartezeit.

Pech gehabt: die Schranken sind zu. Foto: Georg Drasché, ca 1960.

Die Schranken waren aber auch ein Klangerlebnis. Das mehrfache Bimmeln ihrer beiden Glocken signalisierte das Schließen des Bahnübergangs, für die Wiederfreigabe des Weges reichte dann ein einziger Schlag. Lange bevor man den Übergang 2004 endgültig schloss, waren jedoch bereits das mechanische Läutwerk abgeschafft und die schweren Stangen durch modernere ausgetauscht worden. Das Bimmeln der altgedienten Paulinenauer Schranken schien für immer verloren.

Beim Besuch einer Kollegin hörte ich in Rangsdorf südlich von Berlin vor zwei Jahren das vertraute Geräusch wieder und erkannte es sofort. Zu ihrer Geburtstagsfeier vor einigen Tagen hatte ich dann ein Aufnahmegerät dabei und brauchte nicht lange warten, bis sich die Schranke mit bekanntem Gebimmel schloss. Lassen Sie sich durch das folgende Tondokument noch einmal mit Genuss in die alte Geräuschkulisse versetzen.

Tondokument: Der alte Paulinenauer Schrankenklang ertönt, wenn Sie [hier] klicken. Achten Sie darauf, wie nach 15 Sekunden die Holme in die Puffer fallen.