Ein Landart-Parcour zum Kanaljubiläum und ein Fest für den Bahnhof

Ein Kulturereignis dieses Formates hat es in Paulinenaue noch nicht gegeben. Was noch vor zwei Jahren, als der Ausstellungsmacher Rüdiger Stern zusammen mit dem Theaterschaffenden Stefan Bischoff die „Schnellen Vorbeifahrten“ im kleinen Rahmen in seinem Atelierhaus ins Leben rief, bereits das Interesse mancher Paulinenauer auf sich zog, hat sich im zweiten Durchlauf zu einer großen Sache für das Dorf und die nähere und weitere Umgebung entwickelt.

Stefan Bischoff erläutert seine Arbeit „Die Paulinen“ im Schaukasten der Gemeinde.
Foto: J. Scholz, 2018 

Interaktive Land-Art Intervention „Healing“, Rüdiger Stern

An zwei Tagen konnten am zurückliegenden Wochenende Gäste aus nah und fern einen Kulturspaziergang  erleben, auf dem zehn internationale Künstlerinnen und Künstler – viele von ihnen aus der Schweiz – ihre Werke entlang des Havelländischen Hauptkanals ausstellten. Zu bestaunen war so einiges am Ufer oder inmitten des in diesem Jahr 300 Jahre alten Wasserbauwerkes. Etwa ein übergroßes Papierschiffchen, das auf dem Wasser schwamm und auf unwirklich schöne Weise Eindruck machte (Eliane Rutishauser), eine skurrile Figur aus Edelstahl (Axel Anklam), Experimente mit Farben, Formen und interaktiven Elementen (z.B. Rüdiger Stern, Valentina Berthelon), die Vertrautes aufnahmen und verfremdeten und dem sonst etwas zu linear und eintönig erscheinenden Kanal sozusagen ein Geburtstagskleid verpassten.

 

Kunstbetrachtung an der Knauerbrücke vor der Arbeit „Zeit“ von Valentina Berthelon. Foto: J. Scholz, 2018.

 

Neben dem Kanal war die zweite Achse die Bahnlinie, die hier fast parallel, nur wenige hundert Meter südlich die Landschaft durchschneidet. Von ihr her bezog das Festival seinen Namen „Schnelle Vorbeifahrten!“, denn so warnen seit der Erneuerung der ICE-Strecke vor einigen Jahren knallgelbe Schilder am Paulinenauer Bahnsteigrand. Manche Kunstwerke stellten direkte Bezüge zwischen den beiden „Lebenslinien“ Kanal und Bahn her (Karo Schnelle, Ingrid Jebram), auf dem Gemeindeschaukasten in der Philipp-Müller-Straße wurde die Landschaft gar völlig neu interpretiert (Stefan Bischoff).

Am Kanal informierte Anke Goersz über „Das Große Luch“ und die Geschichte seiner Melioration(en). Foto: J. Scholz, 2018

 

Zum Einfallsreichtum der Künstlerinnen und Künstler gesellten sich Veranstaltungselemente, mit denen der Paulinenauer Kulturverein als Mitinitiator Akzente setzte. Das Hauptanliegen war es, Aufmerksamkeit nicht nur auf das Jubiläum, sondern auch auf das Bahnhofsgebäude zu lenken, dessen Schicksal dringend einer Änderung bedarf. Dank der Kooperationsbereitschaft des Amtes Friesack, der Nachbarn und der ortsansässigen Firmen konnte wenigstens ein Teil des eingezäunten Hauses geöffnet, zugänglich gemacht und mit Strom versorgt werden. Etwa eine Woche dauerten die Vorbereitungen im Haus, bei denen der ehemalige Durchgangssaal nach etwa 20 Jahren wieder frei wurde.

Auch hier, wo einst Fahrkarten verkauft wurden, gab es mit raffinierten Projektionen in den ehemaligen Schalterraum und einer Videoinstallation von Susanne Hofer Kunst zu bestaunen und am Samstagabend spielte eine Band (Zenbelly) im Bahnhof. Wie vor hundert Jahren schon konnte dank Catering, Grillstand und Kuchenspenden der Bahnsteig als Café und Restaurant genutzt werden. Mit Führungen und Vorträgen (Anke Goersz, Joachim Scholz) und einem Fotoworkshop (Tilo Geisel) leistete der Kulturverein auch inhaltliche Beiträge zum Gelingen dieses großen Ereignisses.

Projektion in den Schalterraum des Paulinenauer Bahnhofs von Susanne Hofer. Foto: E. Rutishauser, Lee Li | Photography, 2018.

 

Ob das vielschichtige Gesamtkonzept aufgehen würde, das war bis zuletzt nicht ganz klar, aber es funktionierte. Der Erfolg zeigte sich an der Atmosphäre am Samstagabend, wo die Gespräche vor allem auch darüber geführt wurden, wie es wohl mit dem wunderbaren Paulinenauer Bahnhofsgebäude weitergehen wird, sowie an den Kommentaren der vielen  Menschen, die über den Parcour gewanderten waren. Viele wünschten sich, dass ein solcher Kunstausflug in zwei Jahren wieder stattfinden wird.

Die Veranstalter danken insbesondere den folgenden Unterstützer/innen:

Andreas Bangert, Matthias Kunkel, Firma Schaller Heizungs- und Sanitärbau GmbH Paulinenaue, Detlef Wacker (Märkischer Hof Selbelang GbR), kaim agrar-service Ribbeck, Eiscafé Neumann Friesack, Cora Frischling und dem Kulturverein Ribbeck, dem Amt Friesack, der Gemeinde Paulinenaue, den Grundbesitzern und der Jagdgenossenschaft Paulinenaue, dem Hagebaumarkt Nauen, Proviant Limonade, Bartnek Print Artists Berlin, Dieter Czerniak, Alexander von Drenkmann, Olaf Hermann, Wiebke Germeyer, Anja und Friedrich Gollrad, Issam Kanjo, Ingo Lehmann, Kai Lübeck, Familie Schilling, Sebastian Weirich, Michael Winterhagen und Dieter Wolter und der Band Zenbelly.

Die Künstler/innen: Axel Anklam, Valentina Berthlon, Stefan Bischoff, Susanne Hofer, Ingrid Jebram, Enrico Niemann, Eliane Rutishauser, Karo Schnelle, Rüdiger Stern, Anita Zimmermann

Künstlerische Leitung: Rüdiger Stern, Stefan Bischoff

Produktion: Karo Schnelle, Joachim Scholz, Daniel D., Iris Stern

Titelfoto dieses Beitrags: Die Bilder dürfen nur im Zusammenhang mit dem Projekt „Schnelle Vorbeifahrten“ genutzt werden. Anderwertige Nutzung bitte absprechen.