Das Gutachten über die Tierknochenfunde (1912)
Max Hilzheimer
Kiekebusch ließ die in dem ausgegrabenen Haus gefundenen Tierknochen von dem Stuttgarter Naturgeschichtsforscher Max Hilzheimer, der auch an „Brehms Tierleben“ mitgearbeitet hat, genauer beurteilen. Hilzheimers Gutachten ist im Originalartikel in einer Fußnote untergebracht.
Unter den Tierknochen von Paulinenaue ist wohl das wichtigste ein Hundeskelett. Es ist zwar nicht ganz vollständig mehr erhalten. Aber die erhaltenen Teile und die Fundumstände lassen darauf schliessen, dass hier ein ganzer Hund in das Feuer geworfen und verbrannt wurde. Es ist allerdings wahrscheinlich, dass der Hund abgehäutet war, da Zehenglieder und Schwanzwirbel vollständig fehlen. Wären sie vorhanden gewesen, so hätte sich bei der sehr sorgfältigen Art der Ausgrabung der eine oder andere finden müssen. Nach Ausweis der Zähne war der Hund ein Tier im besten Alter, das man auf ungefähr vier Jahre schätzen kann. Er ist, wie es scheint, durch einen Schlag mit einem stumpfen Instrument, etwa einer Keule, auf die Gegend der Nasenwurzel getötet [worden, J.S.].
Abbildung des in Paulinenaue gefundenen Hundeskeletts (Ausschnitt aus Abb. 6)
Was konnte nur die Menschen veranlasst haben, das Tier, das anscheinend vollkommen gesund und vollkräftig war, zu töten? Als Nahrung scheint es nicht gedient zu haben. Denn einmal lassen sich weder vorn an der Hirnhöhle, noch an den Markknochen Spuren davon erkennen, dass diese etwa zur Gewinnung des Inhaltes geöffnet seien. Dann spricht noch die relativ vollständige Erhaltung des Skelettes dagegen, besonders aber die Fundumstände, die noch einen Teil der Knochen in ihrem natürlichen Zusammenhang, den sie im Leben hatten, zutage förderten. Im Feuer gelegen hatte der Hund auch sicher, da alle Knochen mehr oder weniger Brandspuren zeigen. Wenn aber der Gedanke an Verspeisen fallen gelassen werden muss, so scheint mir nur der, dass ein Opfer vorliegt, möglich. Er allein wird das Töten eines gesunden kräftigen Hundes und nachmaliges Verbrennen erklären lassen.
Der Rassezugehörigkeit nach gehört der Hund in die Gruppe des Canis familiaris intermedius Woldrich, also in die Jagdhundgruppe. Er weicht aber von allen bisher bekannten Jagdhunden durch sein eigentümliches Verhalten der Extremitäten ab. Es ist nämlich der Oberarm länger als die Speiche, der Überschenkel aber kleiner als das Schienbein.
Von den übrigen Haustierfunden sind die Reste des Schweines die wichtigsten. Es handelt sich danach um eine kleine Rasse, etwa von der Grösse des Torfschweines. Aber die Symphyse ist weniger steil aufgerichtet, sie stimmt vielmehr in Form und Aufrichtung mit der des Wildschweines überein. Dasselbe gilt von den Eckzähnen, die einem männlichen und einem weiblichen Individuum angehört haben. Es dürften also Reste des bisher noch wenig bekannten, aus dem Wildschwein dem Hausstande gewonnenen Sus scrofa nanus Nehrg. vorliegen. Das Schwein ist nach den Resten in mindestens sechs Individuen vertreten, die alle Altersstadien von ganz jungen Ferkeln an angehören. Es ist also wohl das Hauptnahrungstier gewesen.
Die Reste des Rindes sind sehr spärlich, sie lassen auf drei Individuen schliessen, die wohl der Brachyceros-Rasse zuzuschreiben sind.
Ein Mittelhandknochen einer Ziege, eines jüngeren Tieres, deutet auf das Vorhandensein der Ziege.
Eine ausführliche Arbeit über diese Knochen wird in der Zeitschr. f. Morph. u. Anthrop. erscheinen.
Dr. Hilzheimer-Stuttgart.
Weiter lesen:
Quelle: Kiekebusch, Albert (1912): Eine germanische Ansiedlung aus der späten römischen Kaiserzeit bei Paulinenaue, Kr. Westhavelland. Nebst einigen Bemerkungen über den Zusammenhang der Grundrisse vom Bucher Typus mit dem altgriechischen Megaron. In: Praehistorische Zeitschrift. 1912, Bd. IV, H. 1/2, S. 152-165.
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