Chroniken, Dokumentationen, alte „Fotoforum“-Beiträge

Ältere Geschichte

In den eiszeitlich geprägten Moorwiesen des Havelländischen Luches liegt auf einer Talsandinsel Paulinenaue. Das jetzige Dorfgebiet, das bereits in der römischen Kaiserzeit besiedelt gewesen ist, findet 1390 eine erste urkundliche Erwähnung, als Hasso von Bredow die Heideberge, das Gebiet zwischen Lindholz und Lütsche, an das Domkapitel zu Brandenburg verkaufte. Eine Meierei im Besitz der aus der Gegend um Wolmirstedt stammenden Familie von Bardeleben, wird um 1400 erwähnt. Die Schmettausche Karte von 1774 zeigt das Vorwerk im Lindholz als eines „aus dreyen voneinander abgesonderte[n] Meiereien“ (Büsching, 1780). Nur 17 Einwohner bevölkerten um 1800 die drei Vorwerke im Luch, die heute Paulinenaue, Bienenfarm und Lindholzfarm heißen.

Das Gut Paulinenaue

Bardelebens Meierei wurde 1420 erstmals erwähnt. Das kleine vierseitige Vorwerk war Ausgangspunkt der Ortsbesiedlung. 1832 wurde die Meierei an den Pessiner Landadligen Friedrich Wilhelm von Knoblauch verkauft. Als dieser im Jahr darauf Pauline von Bardeleben heiratete, wurde das Vorwerk ihr zu Ehren in Paulinenaue umbenannt. Seit 1924 ist Paulinenaue selbständige Gemeinde. Im frühen 20. Jahrhundert erhielten Schloss und Gut ihre heutige Gestalt (Aufstockung des Gutshauses, Erweiterung der Scheunen und Ställe). Nach dem Krieg wurde das Ensemble dem neu gegründeten landwirtschaftlichen Institut übergeben. Das Schloss wurde zum Gästehaus des Institutes, das Gutsgelände 1973 dem VEG Pflanzenproduktion Selbelang angeschlossen. Schloss und Gutsbetrieb hängen seither funktional nicht mehr zusammen. Im Schloss sind seit der Sanierung 2010 altersgerechte Wohnungen entstanden. Durch den Abriss der Ostgebäude hat der Hof mittlerweile die für Brandenburg typische Kastengestalt verloren. Der Speicher und die beiden Stallgebäude aber blieben erhalten und werden nach ihrem Verkauf 2012 von privater Hand entwickelt und ebenfalls restauriert.

 

Die Eisenbahn

Im Laufe des 19. Jahrhunderts entwickelte sich Paulinenaue weiter zu einem Ort, der sich von den umliegenden Bauerndörfern recht deutlich unterschied. Das lag an der Eisenbahn, die seit der Mitte des Jahrhunderts gleichberechtigt neben den Gutsbetrieb trat und Paulinenaue mehr und mehr den Charakter einer Bahnbeamtenkolonie verlieh. Am 15.10.1846 eröffnete die Bahnlinie Berlin-Hamburg. Von den drei Vorwerken im Lindholz erhielt Paulinenaue einen Bahnhof und damit den wohl wichtigsten Impuls der Ortsgeschichte. Zusätzlich eröffnete 1880 eine Strecke nach Neuruppin. Paulinenaue wurde somit Umsteigebahnhof und erhielt 1883 sein repräsentatives Bahnhofsgebäude und mehrere andere Gebäude im gleichen Stil, die heute noch ortsbildprägend sind. Eine Kleinbahn verband Paulinenaue von 1900 bis 1923 mit Rathenow. Die beiden letztgenannten Strecken sind heute stillgelegt und größtenteils demontiert, während die Hauptstrecke Mitte der 1990er Jahre ICE-tauglich ausgebaut wurde.

Das Landwirtschaftsinstitut

Von entscheidender Bedeutung für die Entwicklung Paulinenaues war auch die Gründung des „Institutes zur Steigerung der Pflanzenerträge“ durch Eilhard Alfred Mitscherlich (1874-1956), der in den Wirren des 2. Weltkrieges nach Paulinenaue geriet. In hohem Alter beschloss er hier seine Karriere und liegt auf dem Paulinenauer Friedhof begraben. Mit Professor Asmus Petersen (1900-1962) kam 1956 ein weiterer bedeutender Landwirtschaftswissenschaftler an das Institut. Die meisten Institutsgebäude befinden sich im westlichen Teil des ehemaligen Gutsparkes. 1988 entstand mit dem Laborgebäude der letzte große Neubau des Institutes. Paulinenaue war schon unter Mitscherlich zum Wissenschaftsstandort von internationaler Bedeutung gewachsen. An das Paulinenauer Institut, das von 1957-1972 „Institut für Grünland- und Moorforschung“, dann in der gesamten DDR-Zeit „Institut für Futterproduktion“ hieß, führte 1977 eine Exkursion des „XIII. Internationale Graslandkongresses“. Heute ist das Institut in verschiedene kleinere Forschungseinrichtungen aufgeteilt. In den 1980er Jahren erreichte die Einwohnerzahl der Gemeinde mit 1300 ihr Maximum, die sie auch nach der Eingemeindung von Selbelang im Jahr 2003 nicht wieder erreichte.