21.12.2004

Letzter Teil

Von Dr. Peter Pollack

Paulinenaue nach der Wende

Wir sind mit der geschichtlichen Entwicklung unserer Gemeinde beim Zeitpunkt der friedlichen Revolution in der DDR im Herbst 1989 und bei der Wiedervereinigung 1990 angekommen. In den vier Jahrzehnten von 1950-1990 hatte im Wesentlichen das Institut der Akademie der Landwirtschaftswissenschaften mit seinen Bauten und mit dem Wohnungsbau das Bild des Dorfes geprägt. In dieser Zeit wurden in Paulinenaue neben den Institutsbauten und der Milchviehanlage 140 Wohnungen im Geschosswohnungsbau und rund 200 Ein- und Zweifamilienhäuser errichtet.

Mit der Wende 1990 änderte sich Vieles im Leben unserer Bürger. Es kamen die D-Mark, die Reise- und die Redefreiheit. Es kam aber auch die Reduzierung der Arbeitsplätze in der Landwirtschaft und die Abwicklung des Institutes. Damit wurde für viele Menschen in Paulinenaue die berufliche und teilweise persönliche Zukunft völlig ungewiss und sie mußten sich neu orientieren.

Abb. 1: Institutsgelände Ende der 90er Jahre, links das von der DEULA sanierte Mitscherlichhaus.

Abb. 1: Institutsgelände Ende der 90er Jahre, links das von der DEULA sanierte Mitscherlichhaus.

Obwohl es in Deutschland kein vergleichbares agrarwissenschaftliches Institut gab, welches das Problem Futter so komplex bearbeitete, wurde das Institut im Laufe des Jahres 1991 abgewickelt. Es passte wie viele andere Institute nicht in die vorhandene westdeutsche Forschungslandschaft und wurde wie alle anderen Akademieinstitute mit ihren fast 14.000 Beschäftigten aufgelöst.

Einige Teile sind jedoch bis heute erhalten geblieben. Zu nennen sind das Referat Grünland und Futterwirtschaft der Landesanstalt für Verbraucherschutz und Landwirtschaft, die Stützpunkte des Zentrums für Agrarlandschafts- und Landnutzungsforschung in Müncheberg und die DEULA Berlin-Brandenburg. Letzterer ist es gelungen, einen großen Teil der alten Institutsgebäude ansehnlich zu rekonstruieren.

Nach den Entwicklungsetappen, die anfangs von der Landwirtschaft mit Gutsbetrieb, dann von der Eisenbahn und schließlich von der Agrarwissenschaft und der industriemäßigen landwirtschaftlichen Produktion bestimmt waren, begann 1990 der Zeitraum, in dem viele unserer Einwohner ihren Arbeitsplatz außerhalb der Gemeinde haben müssen. Obwohl wir seit 1990 fast 200 Einwohner weniger sind, hat sich unsere Gemeinde durchaus positiv weiter entwickelt.

Allerdings haben wir auch noch Schandflecken, die nicht gut anzusehen sind und die uns allen nicht gefallen. Dabei denke ich ganz spontan an den Bahnhof, an die Abrissstellen vom alten Gutshof, an das alte Heizhaus, an den alten Kindergarten und an die ehemaligen Kleingärten an der Lindenallee.

Abb. 2: Der Paulinenauer Bahnhof gehört heute zu den augenfälligsten Schandflecken im Dorf.

Abb. 2: Der Paulinenauer Bahnhof gehört heute zu den augenfälligsten Schandflecken im Dorf.

Die positiven Seiten unserer Entwicklung sind inzwischen für alle schon zur Selbstverständlichkeit geworden. Vieles sehen wir schon nicht mehr. Ich weiß nicht genau, wie viele der rund 200 alten Ein- und Zweifamilienhäuser grundhaft rekonstruiert worden sind. Ich weiß aber, dass seit 1990 65 Einfamilienhäuser neu gebaut worden sind und zur Zeit wieder 10 im Bau sind.

Ich weiß auch, dass die Geschosswohnungen von der GEWOGENA alle rekonstruiert worden sind und neben der Außenisolierung neue Fenster, teilweise moderne Heizungen und Sanitäreinrichtungen erhalten haben.

Abb. 3: Sanierter Neubaublock in der Bahnhofstraße

Abb. 3: Sanierter Neubaublock in der Bahnhofstraße

 Abb. 4: Neue Einfamlienhäuser im Kameruner Weg

Abb. 4: Neue Einfamlienhäuser im Kameruner Weg

Vom größten Teil der Grundstücke wird das Abwasser im unterirdischen Netz abgeführt, und in unserer Kläranlage vorflutreif aufbereitet. Die ganze Gemeinde wird mit gutem Trinkwasser aus dem inzwischen gemeindeeigenen Wasserwerk der ehemaligen Milchviehanlage versorgt. Es gibt keine Sandwege mehr. Die Plattenwege sind zwar nicht schön, sie belasten aber die Anwohner finanziell nicht mit Anwohnerbeiträgen.

Alle Straßen sind nachts ordentlich beleuchtet. Die elektrischen Freileitungen sind bis auf einen geringen Rest unter der Erde verschwunden und jeder Bürger hat, so er will, seinen Telefonanschluss.

Trotz wesentlich geringerer Anzahl Kinder haben wir noch unsere Schule. Der Erweiterungsbau für die KITA Paulinchen hat für unsere Jüngsten Bedingungen geschaffen, wie wir sie noch nie hatten. Damit sind wir vielen Gemeinden in Deutschland weit voraus.

In der Schule können Schüler und Lehrer in einem modernen Computercabinett arbeiten und sich auf neue Arbeitsbedingungen vorbereiten. Im Dorfgemeinschaftshaus haben wir ein Multimediazentrum mit Internetanschluss für die Kinder und Jugendlichen in ihrer Freizeit mit entsprechender fachlicher Betreuung.

Wir haben in der Gemeinde eine aktive Freiwillige Feuerwehr, die zum Glück nur selten gebraucht worden ist. Die Tradition der aktive Sportler ist weitergeführt worden. Sie haben in unserem Ort gute Bedingungen und Unterstützung.

Abb. 5: Die sanierte Paulinenauer Kirche

Abb. 5: Die sanierte Paulinenauer Kirche

Die Straßen zur B 5 und nach Brädikow, die KAP-Straße nach Berge, die Wege nach Eichberge und durch die Heide nach Pessin sind inzwischen ordentlich befestigte Straßen und Wege, wie sie es auch noch nie waren. Das Dorfgemeinschaftshaus sieht inzwischen von außen sehr ordentlich aus und unsere Kirche ist Dank der Initiative unserer Frau Pastorin von innen und außen ein Schmuckstück.

Wir haben in der Gemeinde über 40 kleine selbständige Unternehmen von Handwerkern, Dienstleistern, Landwirten und agrarwissenschaftlichen Einrichtungen.

Der Havellandradwanderweg von Spandau bis an die Elbe führt durch unsere Gemeinde. Er wurde 2002 in Paulinenaue von unserem Landrat feierlich eröffnet. Auf dem Radweg sind schon viele Menschen durch unsere Gemeinde geführt worden, die den Namen vorher noch nie gehört hatten.

Seit der Bildung unserer politischen Gemeinde vor 80 Jahren hatte Paulinenaue 22 Bürgermeister. Der erste damals so genannte Amtsvorsteher Friedrich Grundmann regierte von 1924 bis 1930. Von den übrigen 21 waren nur drei länger als 10 Jahre tätig. Das waren Heinrich Marenbach 1930-1945, Karl Krüger 1965-1975 und das ist seit 1990 Erhard Hesse.

Und wenn ich mir so ansehe, wie sich unsere Gemeinde in den letzten 14 Jahren entwickelt hat, dann ist das zwar auch auf die äußeren politischen und wirtschaftlichen Bedingungen zurückzuführen, aber auch zum guten Teil auf unsere Bürger, auf die Gemeindevertretungen sowie auf die Kontinuität und Zielstrebigkeit des Bürgermeisters.

Es gibt auch noch Unzufriedenheit, es gibt auch noch viel zu tun. Es gibt auch für jeden die Möglichkeit, nach seinen Kräften und Möglichkeiten mit zu tun und mit zu helfen.

Paulinenaue ist kein sterbendes Dorf.

Text: Dr. Peter Pollack; Abbildungen:
(1, 3) Gemeidearchiv,
(2) Joachim Scholz,
(4, 5) Angelika Kellner.