Die an der Gestaltung der „Neuen Mitte Paulinenaue“ beteiligten Firmen präsentierten am Montag ihr komplettes Planwerk auf einer öffentlichen Gemeindevertretersitzung im Paulinenauer Mehrzweckgebäude. Mit ca. 120 Teilnehmenden dürfte es die am stärksten besuchte Versammlung dieser Art gewesen sein, die das Dorf seit dem Herbst 1989 erlebt hat. Damals hatten der politische Umsturz in der DDR und die Einladung zur freien Aussprache die Paulinenauer in den Saal des Mehrzweckgebäudes geführt. Diesmal ging es um ein Bauvorhaben, das Paulinenaues Gesicht verändern wird. Also auch um eine richtig große Sache.
Die Gemeindevertreter hatten an einer langen Tafel vor dem von einem Vorhang nur zum Teil verdeckten sozialistischen Wandgemälde aus DDR-Zeiten Platz genommen. Es geht noch immer ein besonderes Ambiente von diesem Raum aus, auch wenn sich die wirtschaftlichen Vorzeichen, unter denen heute verhandelt wurde, gründlich gewandelt haben und die Anwesenden diesmal über eine Großinvestition sprachen. Von der Seite betraten nacheinander die geladenen Referenten das Podium und erläuterten, wie zuletzt vor einem Jahr, ihre mittlerweile weit gediehenen Pläne. Es ging um den städtebaulichen Vertrag, der im Erstentwurf vorliegt, um Bebauungspläne, um die Präsentation eines Gestaltungshandbuchs, das dem Vorhaben einen idealen Rahmen geben soll und generell um den Stand der Dinge. Wenn alles so wie gedacht verläuft, könnte im ersten Quartal 2023 der Startschuss für die Neugestaltung eines Areals von 25.000 qm in der heute mehr oder minder brachliegenden geografischen Mitte von Paulinenaue fallen. Man solle neben den referierten Details nicht diese größere Dimension des Vorhabens und die ihm innewohnende Chance aus den Augen verlieren, erinnerte Ralf Rosinus von der Firma S-Immo gleich zu Beginn seiner Vorstellung. Rosinus ist in Paulinenaue schon gut bekannt. Er wirbt von Anfang an auch durch seine persönliche Präsenz vor Ort, etwa zum Tag des offenen Denkmals, für das Vorhaben. Zuletzt hatte die Firma S-Immo die kulturellen Sommerveranstaltungen im Bahnhof gefördert. Nach 90 Minuten, in denen nacheinander er sowie der in Paulinenaue aufgewachsene Berliner Professor und Stadtbauplaner Joachim Schultz-Granberg, der Stadtplaner Jörg Siegmüller und Benjamin Schneider (Firma Hoffmann Leichter) unterschiedliche Projektaspekte erläutert hatten, leuchtete das durchaus ein. Die Referenten hatten zu Vielem Stellung bezogen, was ein solches Bauvorhaben ausmacht: von den Leitideen des Gestaltungsentwurfs über den Bebauungsplan, das Medienerschließungs-Konzept, die Straßenplanung, den Umgang mit Regenwasser, ökologischen Fragen bis zu gestalterischen Festsetzungen und Freiräumen.
Was hängen blieb: Das heute Präsentierte ist ein Vorschlag, ein Entwurf, der nur bedingt Vorgaben macht, so aber nicht im Detail realisiert werden muss. Doch ein Rahmen ist gesetzt und einiges davon wird durchaus verbindlich geregelt. Wie Paulinenaues neue Mitte aber am Ende aussehen wird, das kann man auch nach der heutigen Sitzung noch nicht genau sagen. Der präsentierte Entwurf sieht den Bau von ca. 108 Wohnungen in sechs Bauflächen vor, die man sich als Höfe denken kann. Sie sollen Nachbarschaften bilden. Statt der Form eines Donut (in der Mitte ein Loch) soll hier der lebendige Mittelpunkt des Dorfes sein. Eine verkehrsberuhigte Straße zieht sich von der Schule bis zum Heizhaus durch das neu gestaltete Gelände. Mehrere Geh- und Fahrradwege verbinden das Areal mit den sämtlich nahe gelegenen wichtigen Orten von Paulinenaue: Schloss, Schule, Bahnhof, Park. Grünflächen flankieren die Straße. 22 Prozent Grünfläche sind einkalkuliert, mehr als üblicherweise, so Joachim Schultz-Granberg. In der Mitte des Gebietes ein Anger von der Größe des Kleinen Sportplatzes. Er soll auch viele von dessen Funktionen wahrnehmen, z.B. kann er Austragungsort von Dorffesten sein. Begrünte Dächer, aufgestelzte Solaranlagen darauf, unterschiedliche Dachformen, eine ausgewogene Farbgestaltung der Fassaden. So soll es aussehen. Der ökologischen Komponente wird v.a. durch das „Schwammstadtprinzip“ Rechnung getragen. Regenwasser, das künftig aufgrund des Klimawandels eher in Starkwetter-Ereignissen auf Paulinenaue niedergehen wird, soll gebunden und nicht auf schnellem Wege abgeleitet werden. Es wird vor Ort versickern: „Das Dorf als Schwamm“.
Mancher konnte sich das nicht so recht vorstellen. Vor ein paar Jahren erst sei Paulinenaue regelrecht abgesoffen. Das viele Wasser muss doch schnell abgeleitet werden, hieß es da. Wie viele Jahre wurde jetzt schon geplant, wann passiert mal was? Schnellschuss-Einwänden wie diesen konnte mit Argumenten begegnet werden. Bedeutende Veränderungen müssen nun mal geprüft werden. Aus gutem Grund dauern sie ihre Zeit. Ein begrüntes Dach und Solarzellen sind kein Widerspruch.
Andere Wortmeldungen waren vielleicht hilfreich auch für die Planer. Wie sieht es zum Beispiel mit den vielen Bäumen aus, die heute in den bald verschwindenden Gärten stehen? Es stellte sich heraus, dass die Bestandsaufnahme keine erhaltenswerten Baumbestände festgestellt hat und dass folglich nach der Planung nichts stehen bleibt, was die Gärten heute zu bieten haben. Man erinnert sich an dieser Stelle an den Abriss des Konsums, als schon einmal ein gewachsener Garten trotz firmenseitiger Beteuerungen radikal abgetragen, besser gesagt: platt gemacht worden ist. Hier beruhigte Bürgermeister Arne Breder, der den Abend souverän moderierte. Man werde als Gemeinde in diesem Punkt sicher mitsprechen.
Hinterlasse einen Kommentar