01.08.2004

Teil 2

Bardelebens Meierei und das junge Dorf Paulinenaue

Joachim Scholz

Auf einer Sandinsel hatten um 1400 die Gebrüder Bardeleben eine Meierei errichtet. Die kleine Wirtschaft bestand kärglich durch mehrere Jahrhunderte hindurch und hatte gewiss mit ähnlichen Problemen zu kämpfen, wie Klöden sie beschrieben hat. Noch gegen Ende des 18. Jahrhunderts sehen wir sie auf der Schmettauschen Karte von Preußen als kleinen Kastenhof eine Dreiviertel Meile nördlich von Selbelang, das im Vergleich dazu damals schon ein stattliches Dorf gewesen ist. Die Schmettausche Karte von 1774 ist das erste detaillierte Bild von dem Ort, der heute Paulinenaue ist. Im Gegensatz zu unseren Tagen gehörte Bardelebens Meierei seinerzeit zu Selbelang. Vom Leben der wenigen Menschen auf diesem Vorwerk ist nichts bekannt. Über die Selbelanger wissen wir immerhin aus einem Schulbericht des Superintendenten Kalisch von 1814, dass „das ganze Dorf … aus armen und ungebildeten, großentheils rohen Menschen [besteht], deren Geist sich unter den Lasten und Sorgen des Lebens und eines drückenden Lohndienstes nicht zu erheben vermag.“ Nicht anders wird es auch den Urpaulinenauern gegangen sein.

Der Standort von Bardelebens Meierei (farbiges Rechteck).

Der Standort von Bardelebens Meierei (farbiges Rechteck). Foto: Georg Drasché, 1959.

Übrigens lag die Meierei nicht direkt dort, wo heute der Gutshof steht. Bardelebens Meierei befand sich etwa dort, wo heute der Speicher steht und nichts ist mehr von ihr übrig geblieben. Sie wurde 1833, nachdem sie über 400 Jahre den von Bardelebens gehört hatte, an den damals 34-jährigen Rittmeister und Kreisdeputierten Friedrich Wilhelm von Knoblauch aus Pessin verkauft. Von Knoblauch lässt in den dreißiger Jahren des 19. Jahrunderts die ersten Gebäude auf dem jetzigen Gutshof errichten. Er beantragt am 16. April 1833, dort „das neue Wohnhaus ganz massiv mit Ziegelbedachung, die neuen Wirtschaftsgebäude aber mit Ziegelbedachungen und ausgemauertem Fachwerk“ errichten zu dürfen – auch von diesen Gebäuden steht heute keines mehr.

Abb. 3: Pauline von Bardelebens Familienwappen

Abb. 3: Pauline von Bardelebens Familienwappen

Von bleibender Dauer der von Knoblauchschen Regentschaft über unser Dorf ist vor allem eines geblieben – der Name „Paulinenaue“. Selten sind die Fälle, dass eine Frau in vergangenen Jahrhunderten bleibende Spuren hinterlassen durfte. Paulinenaue ist ein rühmliches Beispiel. Pauline von Knoblauch, geborene von Bardeleben, damals 22 Jahre alt, war frisch vermählt, als Friedrich Wilhelm von Knoblauch ihr zu Ehren die Bardelebensche Meierei in „Paulinenaue“ umbenannte. Hier sehen wir Paulines Familienwappen, das man im Original in der Pessiner Kirche bewundern kann.

Abb. 4: Die Schäferei von Paulinenaue

Abb. 4: Die Schäferei von Paulinenaue

Wieviele Paulinenauer hat es damals wohl gegeben? „Jetzt befinden sich dort 2 Häuser und ein neues Haus wird in diesem Jahr erbaut.“ schreibt von Knoblauch im Mai 1833 an die Regierung in Potsdam. Die „Anzahl der dort befindlichen Seelen“ beziffert er auf 23. Sehr gemütlich war es also nicht in Paulinenaue. Das wohl älteste Foto unseres Dorfes zeigt die Schäferei, die vermutlich noch eines der Gebäude von Bardelebens Meierei gewesen ist, denn sie trägt, wie wir sehen, noch ein Strohdach. Wer genau hinsieht, erkennt darauf 14 Paulinenauer, und das muss ein beträchtlicher Teil der damaligen Dorfbevölkerung gewesen sein.

Abb. 5: Das Paulinenauer Gutshaus, noch einstöckig

Abb. 5: Das Paulinenauer Gutshaus, noch einstöckig

Die von Knoblauchs selbst wohnten nicht in Paulinenaue, sondern in Pessin. Im Gutshaus, das damals noch einstöckig war, lebte nur ein Inspektor, der die Wirtschaft verwaltete. Da diese sich langsam entwickelte, entstanden etwa zehn Jahre später die ersten Häuser am Krähenwinkel, im Revolutionsjahr 1848 kam ebenfalls am Krähenwinkel noch einmal ein Wohnhaus hinzu. Dort lebten die Tagelöhner des Gutes. Immerhin, die Entwicklung von Paulinenaue hatte ihren Anfang genommen, doch allzuviel wäre wohl nicht mehr zu erwarten gewesen, wenn nicht ein Ereignis eingetreten wäre, das nachhaltig alles anders werden ließ. Wie Paulinenaue durch die Eisenbahn verändert wurde, lesen wir im kommenden Teil.

Hier geht es weiter zu Teil 3.

Text: Joachim Scholz; Abbildungen: (1) BLHA Potsdam, Situationsplan zur Erbauung eines neuen Vorwerks für Sr. Hochwohlgeboren den Herrn W. v. Knoblauch (Ausschnitt), 1833; (2) (4) (5): Institutsarchiv; (3) privat.
Quellen: Schulbericht des Superintendenten Kalisch vom 20.08.1814 über die Schule zu Selbelang. In: BLHA Potsdam, Rep. 2A Abt. II WH Nr. 11, Bd. 1: Einrichtung und Verbesserung des Schulwesens in der Superintendentur Dom Brandenburg. – Brief des Landrates Hagen an die Königliche Regierung in Potsdam vom 16.04.1833 „wegen der Vermehrung der Gebäude auf der ehemaligen Bardelebenschen Meyerey bey dem Dorfe Ribbeck“. In: BLHA Potsdam, Pr.Br. Rep. 6B Westhavelland Nr. 923: Die von dem Herrn von Knoblauch zu Pessin projectirte Vermehrung der Gebäude zu Lindholz und Beilegung eines eigenen Namens Paulinenaue. – Knoblauch, Wilhelm von: Datentableau Paulinenaue (13.05.1833), ebd.