02.10.2004
Teil 4
Von der Jahrhundertwende bis zur Gemeindegründung
Zu Beginn des letzten Jahrhunderts musste das Luch zum zweiten Mal trockengelegt werden, da viele wassertechnische Anlagen im Laufe der Zeit verkommen waren. 1917 erwirbt eine Landsiedlungsgesellschaft das kurz zuvor baulich aufgewertete Gut und Paulinenaue wird zum Zentrum einer Besiedlungswelle, die durch die Zeit des Ersten Weltkrieges hindurch und bis in die 20er Jahre hinein so etwas wie Aufbruchstimmung im Dorf bescherte.
Im Ersten Weltkrieg schreibt der Retzower Pfarrer Koch in einer Zeitschrift, die er extra für sein Kirchspiel gegründet hatte und die den schönen Namen „Heimatglockenldquo; trug: „Paulinenaue wächst sich immer mehr zum Mittelpunkt für das Luch aus, nachdem dort … umfangreiche Bauten zu landwirtschaftlichen Zwecken entstanden sind, Arbeiterwohnungen, Maschinen- und Düngerschuppen jenseits der Bahn. Der Wiesen- und Weidebetrieb im Luch wird immer großartiger. Wer dasselbe lange nicht gesehen hat, muß staunen, wie lebendig es geworden ist: ebene Koppeln, wo sonst Segge und Gestrüpp stand, feste Wege, wo sonst der Fuß versank.“ (1) – „Ja, das Luch bekommt Leben und erschließt sich für Ansiedelungen“ (2).
In nur 20 Jahren, von 1890 bis 1910, verdoppelt sich die Einwohnerzahl Paulinenaues von 155 auf 300, und schon 15 Jahre später ist wiederum eine Verdopplung erreicht. Keines der Nachbardörfer wächst in diesem Zeitraum so schnell wie Paulinenaue. Selbelang wird 1911 überholt und in den 20er Jahren liegen wir gleichauf mit Brädikow, Retzow und Ribbeck.
Die neuen Siedler – zum Teil kamen sie wie die Werners aus Werder – brachten den Gartenbau nach Paulinenaue. Weil sich die Paulinenauer Sandböden im Frühjahr schneller erwärmen als die Böden ringsumher und die Erdbeere diese Wärme liebt, etablierte sich vor allem der Erdbeeranbau. Paulinenaue wurde auch das „Erdbeerdorf“ genannt. In dem Haus, in dem heute Familie Kunkel wohnt, lebte einer der Pioniere des Paulinenauer Gartenbaus, Wilhelm Schumacher, aber auch andere interessante Figuren zog es nach Paulinenaue. Den Chemiker Johannes Goldschmidt, der in Paulinenaue ein Verfahren zum Zusammenschweißen von Eisenbahnschienen entwickelte, oder die Gebrüder Knauer, die bis in die Nachkriegszeit im Lindholz ein welberühmtes Gestüt, „den Lindenhof“ führte. Ihre Pferde kauften die Knauerbrüder zu großen Teilen in Amerika. Sie hießen „Albrecht Dürer“ oder „Adriana“ und gewannen viele internationale Rennen, unter anderem zweimal den Derby in Berlin.
Vor 80 Jahren hatte sich Paulinenaue also bereits einen Namen gemacht und stand vor der wichtigen Herausforderung, seine Kirchen-, Schul- und Gemeideangelegenheiten grundlegend neu zu gestalten. Davon aber wird im nächsten Teil berichtet.
Hier geht es weiter zu Teil 5.
Text: Joachim Scholz; Abbildungen:
(1) privat,
(2) Angelika Kellner,
(3) Manfred Hänsch,
(4) Gemeindechronik Paulinenaue; Quellen: Koch, Philipp Martin: Artikel „Retzow – Selbelang – Paulinenaue“. In: Heimatglocken. Kirchliches Gemeindeblatt für die Kirchspiele Retzow und Pessin (Westhavelland). Ausgaben März 1918 (=1); Juni 1916 (=2).
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