Von Sarah Vierjahn, Joachim Scholz und Eberhard Schwarz
Als der Paulinenauer Gutsspeicher im Jahr 1925 fertiggestellt wurde, ist das sicher festlich begangen worden. Die Errichtung bedeutete für den gerade erst modernisierten Betrieb einen weiteren Fortschritt. Geerntetes Getreide und daraus gewonnenes Korn konnten nun witterungsgeschützt trocknen, gelagert und im Gebäude weiter verarbeitet werden. Ein wichtiger Schritt zur sicheren Versorgung des Viehs war getan.
„Montag 11. Mai 1925 – Vormittags 1/2 10“
Das heute unter Denkmalschutz stehende Gebäude erhebt sich noch immer markant über dem Paulinenauer Gutshof. Es ist von außen wie von innen ein imposantes Bauwerk. Das weiß Sarah Vierjahn, die sich in ihrer 2021 abgeschlossenen Diplomarbeit „Bauaufnahme, Zustandsbeurteilung und Erarbeitung von Instandhaltungsmaßnahmen für den Dachstuhl im Speicher auf dem Gutshof in Paulinenaue, Havelland“ intensiv mit dem Speicher befasst hat. Nachdem sie ihn damals mitsamt der Konstruktion des Dachstuhles aufgemessen hatte, nahm sie Schäden auf und kartierte sie. Dabei entdeckte Sarah eine Notiz aus der Zeit der Errichtung: Auf einem der Sparren an der Nordostseite des Dachgeschosses steht handschriftlich „Montag 11. Mai 1925 – Vormittags 1/2 10“ geschrieben. Da andere Bauunterlagen bislang fehlen, können wir heute vor allem aus dieser Notiz auf die tatsächliche Erbauungszeit schließen.

Der Sparren mit der Datierung im Dachstuhl des Speichers, vermutlich aus der Erbauungszeit. Auch bei der Renovierung des Schlosses 1914 und dem Anbau des Saales am Paulinenauer Gasthaus 1933 sind ähnliche Inschriften überliefert. Foto: J. Scholz, 2026.
Wer noch nicht die Gelegenheit hatte, den Paulinenauer Speicher von innen zu sehen, wird staunen, welche aufwändige Holzkonstruktion sich im Inneren verbirgt und welche Massen an Holz für den Bau der Tragkonstruktion notwendig waren. Die Verbindungen der Hölzer des zweifach stehenden, zusätzlich abgestrebten Pfettendachstuhls sind größtenteils zimmermannsmäßig, das heißt ohne mechanische Verbindungsmittel aus Stahl hergestellt worden. Auch die Holzbalkendecke und die Stiele zum weiteren Lastabtrag kommen größtenteils ohne diese Hilfen aus. Aus Sarah Vierjahns Sicht ist das eine großartige Leistung der Zimmermänner, die damals die Konstruktion planten und umsetzten.
Das Gebäude hat nun schon 100 Jahre überdauert und könnte sicher noch weitere 100 Jahre oder länger problemlos die angreifenden Lasten abtragen. Vorausgesetzt, es findet sich jemand, der dem größten Feind des Holzes einen Riegel vorschiebt und die bereits bestehenden Schäden behebt. Bei der Erfassung des Zustandes vor vier Jahren wurde nämlich deutlich, dass das Gebäude vor allem durch das eindringenden Wasser zunehmend Schaden nimmt. Die Dacheindeckung ist nicht mehr dicht und auch die Regenrinnen und Fallrohre sind nicht mehr intakt oder gar nicht mehr vorhanden, wodurch immer wieder Regen in die Konstruktion gelangt und so das Wachstum von Pilzen, das Entstehen von Fäule und letztlich die Zerstörung des Holzes vorantreibt. Sarahs Wunsch ist es, dass jemand das nötige Geld und die Leidenschaft für das historische Gebäude aufbringen kann, um es vor dem weiteren Verfall zu bewahren.
Erinnerungen an den Paulinenauer Speicher
Seit vielen Jahren schon ist das Leben aus dem Speicher gewichen. Wie eine Kommode im Wohnzimmer der Großeltern steht er unbeachtet mitten im Dorf, als wolle er nach seiner Vergangenheit befragt werden. Von seinen frühen Tagen wissen wir so gut wie nichts. Selbst der im letzten Jahr verstorbene Karl Weirauch (1926–2024), der fast alles über Paulinenaue ab den 1930er Jahren genau datieren konnte, irrte sich in der Baugeschichte. Er war sich sicher, dass der Speicher 1930 gebaut wurde. Sarahs Vater Eckhard Vierjahn (geb. 1961) verbindet aus seiner Kindheit konkrete Erinnerungen mit dem Speicher: „Damals saß dort u.a. Leo Fandrich“, erzählt er. Eckhard musste einmal im Monat 7 kg Korn oder, wenn vorhanden, auch Schrot für die Hühner in einem weißen Säckchen aus dem Speicher holen. Dies war das Deputat, das seine Mutter als Arbeiterin in der Schlossküche erhielt. „Es roch dort immer so gut“, erzählt er weiter.
„Wir haben in den 1980er Jahren von der Schule aus Eicheln und Kastanien gesammelt und zum Speicher gebracht, für die Rehe im Winter“, erinnert sich auch Achim Scholz (geb. 1974). „Vielleicht haben wir dafür, so wie bei den ,Altstoffsammlungen‘, auch Geld für die Klassenkasse bekommen. Leo Fandrich und seine Speicherkollegen bedienten die Waage. Als ich meinen Sack mit den in der Vorwoche gesammelten Kastanien ausschüttete, waren alle verschimmelt. Nach kurzer Beratung entschied Leo: ,Macht nichts!‘ Die verschimmelten Kastanien gingen so durch.“
Der Speicher von innen – Fotos von Eberhard Schwarz und Joachim Scholz (2002–2016)
Mehrfach in den letzten Jahren wurde der Speicher für Fotosafaris geöffnet. Eberhard Schwarz und Joachim Scholz haben zwischen 2002 und 2016 das Gebäude schon einige Male mit der Kamera dokumentiert.
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