Spontan war der ortshistorische Spaziergang angesetzt worden, den am vergangenen Samstag etwa 20 Paulinenauer und ein Gast mitmachten. Der Gast war Bernd Hug aus Freiburg, der als Kind vor dem Mauerbau mehrfach seine Ferien in unserem Ort verbrachte. Paulinenaues Ferienidylle hatte sich ihm tief eingebrannt. Die Lesung mit Geralf Pochop am Freitag in der Kirche nahm er zum Anlass, die lange Reise anzutreten.

Am letzten Tag seines Aufenthaltes führte Joachim Scholz vom Kulturverein durch die Gegend von Paulinenaue, in der Bernd früher seine Ferien verbrachte. Als „Neubau“ bezeichnete man vor einhundert Jahren die Arbeitersiedlung südlich der Ruppiner Straße (Gartenweg und Philipp-Müller-Straße). Sie war nach dem Ende des Ersten Weltkrieges für die Beschäftigten eines neugegründeten Torfwerkes und diejenigen der Schweißerei von Professor Goldschmidt errichtet worden. Historisches Material, z.B. eine Postkarte mit dem Motiv „Gartenstadt Paulinenaue“, größere Bauten wie die Schnitterkaserne, das Landambulatorium und die 2007 abgerissene Schweißerei deuten darauf hin, dass einst die Ambitionen der Dorfentwicklung auf diesem Areal lagen. Auch der Gartenbaubetrieb von Anna Werner („Die dicke Werner’n“) und die Hühnerfarm von Theodor Schultze („Hühner-Schultze“) befanden sich hier bzw. gleich nebenan. Ohne Zweifel war vor etwas mehr als 100 Jahren am nördlichen Dorfrand Paulinenaues „Neue Mitte“ entstanden. Dass damals ein Lebensmittelladen und ein paar Jahre später direkt daneben eine Fleischerei eröffneten, klingt heute fast wie Zukunftsmusik.

„Neue Arbeitersiedlung bei Paulinenaue im havelländischen Luch“ ist das zeitgenössische Foto von 1920 untertitelt. Archiv Paulinenauer Kulturverein e.V.

Mit dem Spaziergang will der Kulturverein ein neues Format „Eine Stunde, eine Straße“ anbieten. Ein Mix aus historischem Kontext und Anwohnergeschichten soll das gegenwärtige Leben der Paulinenauer Einwohner mit der Geschichte Paulinenaues in Verbindung bringen. Welche Straße die nächste sein soll, können Sie per E-Mail an kulturverein@paulinenaue.info mitbestimmen.

Bilder vom Spaziergang

Die Arbeiterhäuser am ,Neubau‘ gehören heute zu Paulinenaues Altbaubestand. Viele Nebenbauten sind dazugekommen. Einige Häuser sind aber auch verschwunden. Foto: E. Schwarz, 2025.

Auf diesem Grundstück im Gartenweg stand im Zweiten Weltkrieg Paulinenaues Kriegsgefangenenlager. Foto: E. Schwarz, 2015.

Die Paulinenauer „Schnitterkaserne“, in der die Paulinenauer Saisonarbeiter wohnten, ist ungewöhnlich groß und architektonisch vielfältig. Sie hat bessere Tage gesehen. Foto: E. Schwarz, 2025.

Von der alten Schweißerei ist nur ein wuchtiger Riegel geblieben, der im Kulturvereins-Archiv aufbewahrt wird. Foto: E. Schwarz, 2025.

Die Strecke. Die nächste Wanderung könnte noch in diesem Herbst stattfinden.