Seine Eltern Johann und Stanislawa waren 1920 aus Mecklenburg nach Paulinenaue gekommen. Sie stammten aus der Nähe von Łódź und arbeiteten in der Landwirtschaft. Am 22. Oktober 1925 kam er in Paulinenaue zur Welt: Obwohl Karl Weirauch seit Jahrzehnten in Friesack wohnte, konnte man ihn mit Fug und Recht als den ältesten lebenden Paulinenauer bezeichnen, denn für seine innige Verbindung zu seinem Heimatort war er bekannt. Karl konnte Paulinenaue erzählen wie niemand sonst. „Aber nur bis 1943, dann wurde ich eingezogen,“ wie er betonte. Das erstaunte mit den Jahren mehr und mehr, denn selbst Menschen, die noch über das Kriegsende und die unmittelbare Nachkriegszeit berichten können, sind mittlerweile selten geworden.

Was Karl zu erzählen wusste, waren die Geschichten des dörflichen Alltags aus dem Blickwinkel eines wachen Kindes, das sich für jedes Detail interessierte, dem nichts zu entgehen schien. Er kannte jeden und jede noch persönlich: den „Waldbären“ und die „Dicke Wernern“, Lehrer Schmidt und Lehrer Richter oder den alten Eisenbahner, der vor 90 Jahren die Paulinenauer Kinder für eine Karriere als Lokführer zu begeistern suchte. Karl war dabei, als Paulinenauer Erdbeeren massenweise zum Verkauf nach Berlin transportiert wurden oder sich die Männer vor Kriegseintritt am Feuerwehrvorplatz sammeln mussten. Dann wurde auch er eingezogen, überlebte Krieg und die sowjetische Kriegsgefangenschaft. Er wurde Schlosser und arbeitet zuletzt lange im Friesacker Meliorationskombinat.

Karl Weirauch im Interview. Foto: J. Scholz, 2018.

Als Rentner stellte sich Karl Weirauch für ortsgeschichtliche Interviews und Führungen immer wieder gern zur Verfügung. Er war, man kann es nicht treffender sagen, ein lebendes Geschichtsbuch. Noch viele Stunden aufgezeichneten Materials warten auf Auswertung. Am Dienstag, dem 6. August 2024, ist Karl Weirauch nun im Alter von 98 Jahren verstorben. Sein Wunsch, die Feierlichkeit zum 100. Gemeindegründungsjubiläum noch zu erleben, hat sich leider nicht erfüllt. Der Paulinenauer Kulturverein ist Karl Weirauch zu großem Dank verpflichtet. Mit seinem Wissen und dem historischen Material, das er zur Verfügung stellte, hat er enorm zur Erforschung der Ortsgeschichte beigetragen und sich selbst damit ein bleibendes Denkmal gesetzt.

Karl Weirauch wird – wie könnte es anders sein – in Paulinenaue seine letzte Ruhestätte finden.