Erinnerung an Ernst Jakob (1890–1966), den ersten Paulinenauer Ortschronisten
Vor einhundert Jahren beschriftete der 35-jährige Paulinenauer Bahnarbeiter Ernst Jakob die Rückseite einer verblichenen Fotografie, die ein paar reetgedeckte Häuser vor Bäumen und viel Gestrüpp zeigt. Nichts Besonderes, könnte man meinen. Jakob schrieb dennoch mit sauberer Hand, der anzumerken ist, dass er nicht irgendetwas, sondern Wichtiges erklären wollte:
„Das erste Haus von Paulinenaue. Hier wohnte zuerst der Förster und der Schäfer. Nach Aufbau des Gutes wohnte hierin der Meier u der Schäfer.“
Er vermerkt noch Ort und Datum, den 19. Mai 1925, und per Unterschrift seinen Namen: Ernst Jakob.
Wer war Ernst Jakob? – Der älteste Sohn des Maurers und Bahnarbeiters Albert Jakob wurde am 15. September 1890 in Paulinenaue geboren. Auf ihn folgten noch die Geschwister Richard (*1892), Franz (* 1893), Frida (* 1895) und Alma (* 1899). Weil sie so viele waren, wurden sie im Dorf „Die Jaköppe“ genannt. Eingeschult wurde Ernst 1896, im März 1905 verließ er die Paulinenauer Volksschule wieder. Wie sein Vater und Großvater sollte auch er Eisenbahner werden und es einmal bis zum Paulinenauer Bahnhofsvorsteher bringen.
Ernst Jakobs Familiengeschichte reicht weit zurück in die seines Heimatortes, wenn man bei einem so jungen Dorf wie Paulinenaue von „weit zurück“ damals überhaupt sprechen konnte. Keine 100 Jahre alt war das Dorf, als er die Fotografie beschriftete, aber immerhin 80 davon lebten die Jakobs bereits in Paulinenaue. Der Großvater war 1844 aus dem niederschlesischen Quaritz „mit noch 60 Mann zum Bahnbau nach hier“ gekommen. So formuliert es Ernst Jakob selbst in den knappen Notizen zur Geschichte von Paulinenaue, die er 1959 aufgeschrieben hat. Eine frühere, wahrscheinlich ausführlichere Fassung soll 1945 gemeinsam mit den Akten der Gemeinde verbrannt sein.
Ernst Jakob und seine Frau wohnten in der Ruppiner Straße, im ersten Haus gleich hinter der Bahn. Für sein damals hohes Ansehen im Dorf spricht eine lange Karriere in der Paulinenauer Gemeindevertretung. Unmittelbar nach dem Krieg erscheint er 1946 bereits als Gemeindevertreter der Liberaldemokratischen Partei, die anfangs gemäßigtere Positionen vertrat als die spätere Staatspartei, die SED. Manche wünschten sich gerade in diesen unsicheren Zeiten ihn zum Bürgermeister.

Der älteste Nachweis ortsgeschichtlicher Beschäftigung in Paulinenaue geht auf den Eisenbahner Ernst Jakob zurück. Bild: Paulinenauer Kulturverein e.V., Archiv.
Zurück zur Fotografie, die sich 1925 in Ernst Jakobs Besitz befand. Sie war damals schon alt und ist wahrscheinlich das älteste Foto überhaupt, das Paulinenaue abbildet. Das beschriebene Haus existiert nicht mehr. Es dürfte sich in etwa dort befunden haben, wo seit nunmehr 100 Jahren der Speicher steht.
Auch Jakobs Aufschrift auf der Rückseite hat historische Bedeutung, denn sie ist heute der früheste Beleg einer Beschäftigung mit der Ortsgeschichte von Paulinenaue. Vorher hatten zwar die zuständigen Pfarrer besondere Vorkommnisse im Kirchenbuch vermerkt und im Ersten Weltkrieg wurde sogar eine Kriegschronik geführt. Aber dabei sind immer nur aktuelle Ereignisse erwähnt worden. Ernst Jakob kann daher mit Fug und Recht als der erste Paulinenauer Ortschronist bezeichnet werden. Er starb im September 1966 im Alter von 76 Jahren, ohne eine ordentliche Paulinenauer Ortschronik je fertig- oder wiederhergestellt zu haben. Seine Frau und er hinterließen keine Kinder. In Paulinenaue leben heute keine Nachfahren der Familie Jakob mehr.
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