Die Journalistin Zora Alber vom Sender Flux FM fuhr in diesem Sommer mit dem Fahrrad auf dem Havelland-Radweg, um für den Podcast „Havelland und Leute“ Stimmen einzufangen. Ihr Weg führte sie auch durch Paulinenaue. Über den Podcast und die Stimmung im Havelland lesen Sie im folgenden Interview. Mit Zora Alber sprach Joachim Scholz.
Hallo Frau Alber. Ist Ihr Podcast aufgegangen wie gedacht?
Bisher schon. Zwei Folgen stehen ja noch aus, aber bisher ist es ein total spannendes schönes Projekt. Es macht mir viel Spaß und ist noch besser als ich es vorher hätte erwarten können.
Wie ist die Idee zum Podcast aufgekommen?
Tatsächlich ist 100,6 Flux FM ein Radiosender, der sowohl für Berlin als auch für Brandenburg sendet. Deshalb sind uns auch Themen wichtig, die in Brandenburg relevant sind. Gerade jetzt vor der Landtagswahl. Wir wollten bewusst auf einer persönlichen Ebene fragen, wie geht’s den Menschen. Um herauszufinden: Was sind Themen, die die Wahlentscheidung begründen.
Auf welche Befindlichkeiten sind Sie denn gestoßen und vermittelt der Podcast das ganze Bild?
Ich bin ehrlich und authentisch geblieben. Ich hab manchmal Erfahrungen, die ich hinter dem Mikrophon gemacht habe, die dann nicht stimmlich eingefangen werden konnten, bei uns im Programm wiedererzählt. Manchmal gab es Situationen, die ein bisschen herausfordernder waren, wenn’s darum ging, Leute anzusprechen. Aber was man im Podcast hört, ist authentisch das, was mir widerfahren ist.
Haben Sie als Berlinerin auch eine Anti-Berlin-Haltung gespürt?
Als ich die Aufgabe bekam, hatte ich mich schon gefragt, wie Menschen reagieren, wenn ich jetzt sage, ich komme aus Berlin. Ob ich da gleich eine Abneigung spüre. Tatsächlich war es gar nicht so. Ich hab nicht einmal das Gefühl habt, weil sie jetzt aus Berlin kommt, wollen wir nicht mit ihr reden. Eher war es so, dass die Leute sich sehr gefreut haben, dass ein Interesse besteht: Endlich kommt mal jemand und fragt einfach mal. Ohne Vorurteil, mit ner offenen Frage: Wie geht’s euch? Die Befürchtungen waren unbegründet.
Ist Ihnen das Havelland als eine homogene Masse erschienen, sind die Havelländer alle gleich? Und wie ist Ihnen Paulinenaue vorgekommen?
Es ist schon sehr unterschiedlich. Ich habe die Leute in unterschiedlichen Lebenssituationen angetroffen und jeder Ort hat seine eigenen Probleme und Herausforderungen. Und das hat natürlich auch die Sichtweisen der Menschen geprägt. Ich habe Menschen getroffen, von denen ich den Eindruck hatte, dass es ihnen sehr gut geht, dass sie sehr glücklich sind mit ihrem Leben dort, die auch wirklich mehrfach gesagt haben, es gibt eigentlich nicht viel zu meckern und wenn gemeckert wird, dann auf hohem Niveau. Und auf der anderen Seite gab es Orte, wo man schon gespürt hat, da sind die Brennpunkte und sozialen Konflikte viel größer und die Leute viel mehr davon beeinflusst. Das prägt dann natürlich wieder ihre Sichtweise auf ihr Leben und auf die gesellschaftlichen Umstände. Da gab es Unterschiede von Ort zu Ort, obwohl die räumlich gar nicht so weit auseinander lagen.
Was Paulinenaue anbetrifft, war mein erster Eindruck durch Eckhard Vierjahn geprägt. Dem muss man ja eigentlich nur mögen. So ein sympathischer, engagierter, ortskundiger Mensch, auch ein interessanter Gesprächspartner. Also durch ihn habe ich auch wirklich erlebt, wie engagiert Menschen in diesen Gemeinden sein können und wie verbunden die Menschen sind. Auch wie sie auf ihn reagiert haben. Also, wir hatten dann auch so ein paar Paulinenauer*innen getroffen auf der Straße. Eckhard hat dann versucht, zu werben dafür, dass noch mehr Leute mit mir reden wollen. Und da hat man gemerkt, was für einen starken Zusammenhalt es in Paulinenaue gibt.
Haben Sie auch etwas von dem Rechtsruck mitbekommen im Havelland?
Ja, das ist spannend, weil ich natürlich immer im Hinterkopf hatte, dass die Zahlen so ein ganz klares Bild sprechen. Es wird ja sehr viel blau gewählt. In den Europawahlen und Kommunalwahlen ist die AfD manchmal stärkste Kraft geworden. In den Gesprächen war das dann längst nicht so deutlich. Es gab schon unterschwellig zwischen den Zeilen Aussagen, wo ich dachte, da ist definitiv Sympathie vorhanden. Aber viel mehr Leute haben sich vor dem Mikrophon dagegen ausgesprochen. Doch obwohl wenige gesagt haben, ich wähle das, gab es in vielen Gesprächen Verständnis dafür, dass die Menschen AfD wählen. Ich bin nach wie vor eine AfD-Gegnerin, habe mich aber bemüht zu verstehen, was die Leute bewegt.
Und was sind das für Gründe?
Also diese Protesthaltung gegenüber den alteingesessenen Parteien, dieses Gefühl: „Es muss endlich was passieren, weil die Parteien in Berlin realitätsfern sind“. Das ist ein Vorwurf, der oft kommt und mit dem einher geht, dass man sich ungerecht behandelt oder abgehängt fühlt. Zum Beispiel die Diskussion, die wir hier in Berlin gerne zur Mobilitäts- und Energiewende führen. Dass wir vom Auto wegwollen. Ich kann dann verstehen, dass die Leute, weil die Infrastruktur nicht gegeben ist, natürlich sagen: „Wie können die in Berlin darüber reden, dass die das Auto abschaffen zu wollen. Das heißt anscheinend, die Politik wird nicht für uns gemacht“. Und dass sie sich an Parteien wenden, die ihnen sagen: „Für dich behalten wir das Auto. Wir sehen dich“. Das ist dann ein leichtes Spiel.
Die Menschen wollen gesehen werden und sie wollen mit einbezogen werden. Ich fand einleuchtend, warum Energiepreiserhöhungen Sorge bereiten. Wir in Berlin haben Busse und Fahrräder. Aber so lange diese Probleme in den ländlichen Gebieten nicht angeboten werden, ist die jetzige Politik in der Pflicht, die Umstände so zu verbessern, dass ihr die Partei nicht wählen müsst, die euch diese Versprechen macht. Verstehen Sie?
Ja, ich verstehe, zumal es ja oft gar nicht einmal die Position der Parteien ist. Dass das Auto fürs Land unverzichtbar ist, sagten ja sogar die Grünen. Aber das scheint ein Vermittlungsproblem zu sein. Und ein Imageproblem, das verstärkt wird.
Total. Das ist auch noch ein Punkt, der mir aufgefallen ist. Dass einige Menschen politische Prozesse nicht mehr verstehen, weil sie sehr komplex geworden sind. Und sie sich teilweise nicht auseinandersetzen können oder wollen. Dann aber auch eine Demokratiemüdigkeit. Also, wie oft ich gehört habe: Ich gehe nicht mehr wählen, es bringt eh nichts. Mein Kreuzchen ändert nichts. Egal, ob das junge Menschen waren, 20jährige, oder ältere Damen. Es ist unfassbar. Und natürlich, wenn diese Lust auf Teilhabe sinkt, die Demokratie zu gestalten, ist das extrem gefährlich und spielt natürlich wieder denen in die Hände, die sagen: Ihr müsst gar nichts machen, wir klären das für Euch. Das war ein Faktor in meinen Gesprächen. Die Lust an der Auseinandersetzung sinkt. Die Leute sind müde, die sagen, es bringt ja eh nichts. Diese Leute hat man total verloren für den demokratischen Diskurs. Auch da denke ich, es ist die Aufgabe von uns allen, die Leute zu aktivieren, dass die sich wieder einbringen wollen und das Gefühl haben, ihre Stimme zählt sehr wohl.
Sind sie alleine gewesen oder hatten Sie noch die Technik dabei?
Ja, ich war ganz alleine. Eigentlich war es nur für die erste Folge, wo es nicht anders ging, so geplant. Und ich dachte, okay, dann mache ich mal alleine, habe dann festgestellt, dass es eigentlich wunderbar klappt. Und jetzt im Nachhinein denke ich, ist es auch besser, weil diese Ansprechsituation, auf Leute zuzugehen, wäre zu zweit eine ganz andere gewesen. So setze ich mich halt manchmal auf eine Bank neben jemanden und fragt den einfach, ob wir uns kurz unterhalten können.
Und wenn wir jetzt die Politik verlassen, ist noch irgendwas anderes zum Havelland zu sagen, Natur wahrscheinlich?
Ja, super, schön. Hat mir total gefallen, ich habe wirklich meine Liebe fürs Havelland entdeckt. Ich war einmal als Kind auf dem Marienhof bei Ribbeck, hatte aber sonst gar keine Erfahrung. Durch diese Fahrt auf dem Havellandradweg würde ich jetzt auch privat, glaube ich, jedem raten, fahrt den doch mal ab. Also das hat mir richtig gut gefallen. Ich kann auch gut verstehen, warum Leute wegen dieser Ruhe wieder zurück aufs Land ziehen.
Und um noch mal auf die Menschen zu sprechen zu kommen. Bei allen Situationen, die ich hatte, war es sehr bemerkenswert war, wie viele Menschen sich engagieren, gesellschaftlich und politisch. Ich fand das so toll, dass ich überall Akteur*innen getroffen habe, die sich wirklich mit vollem Herzblut für Ihren Ort einsetzen, wo man spürt, die lieben ihren Ort, wo sie teilweise ihre ganze Freizeit dafür opfern, irgendwie ehrenamtlich zu arbeiten, Feste zu organisieren, Initiativen aus dem Boden zu stampfen. Natürlich auch im Kampf gegen rechts. Es gibt Vereine, die mir geschildert haben, wie sie mit Finanzproblemen kämpfen und trotzdem diesen Job machen wollen und für Geflüchtete zum Beispiel Anlaufpunkt bieten. Oder auch Sie mit Ihrem Blog, da kann ich auch sagen, Hut ab, dass sie das machen, mit so viel Engagement, dass sie sich da die Zeit nehmen und ja, ist es fantastisch, weil das ist so beeindruckend.
Also wirklich mit so viel gesellschaftlichen Engagement, seine Zeit dafür zu nutzen, um Beitrag zu leisten, das ist mir oft entgegengekommen, das fand ich total beeindruckend.
Machen Sie im Sender mit ähnlichen Formaten weiter?
Wir haben ähnliche Formate im Programm. Der Havelland-Podcast ist auf diese fünf Folgen angelegt. Die letzte Folge nach der Landtagswahl wird noch einmal reflektierend darauf schauen und das Ergebnis einordnen. Der Uckermark-Podcast, den ein Kollege macht, ist eher eine Langzeitbeobachtung, der wird auch fortgeführt. Also vorerst endet leider das Projekt, obwohl ich es gern weiter gemacht hätte. Aber es hatte nun mal seinen Sinn und Zweck mit der Landtagswahl. Schön ist aber, dass jetzt tatsächlich durch diese Tour ein Kontaktnetzwerk gewachsen ist. Ich bin immer noch in Mailverteilern von einzelnen Akteur*innen, die ich getroffen habe. Die halten mich jetzt immer auf dem Laufenden, was irgendwie passiert. Also ich bin jetzt persönlich involviert und interessiere mich sehr dafür, wenn es ein neues Projekt gibt.
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