Er ist einer der wenigen öffentlichen Orte in Paulinenaue, an dem man zugleich etwas Sinnvolles tun, Leute treffen, sich erzählen und vielleicht sogar erholen kann: unser Friedhof. Selbst wenn niemand hier gerade harkt und hegt, ist man auf dem Friedhof Verwandten, Nachbarn und Freunden nah. Je länger man lebt, desto mehr werden es. Ganz klar, der Friedhof hat mit uns zu tun, er erzählt unsere Geschichte oder wird sie einmal erzählen.

Einige Gräber sind besonders, weil sie hier schon immer zu stehen scheinen und sich mit den Namen der Personen die Geschichte unseres Dorfes verbindet. Das Grab von Professor Mitscherlich, dem Agrarforscher, nicht weit vom Eingang auf der rechten Seite gelegen, zum Beispiel. Als es den Brockhaus noch gab, war er der einzige Paulinenauer, der es je in das bekannteste deutsche Lexikon geschafft hatte. Ihm gegenüber befindet sich unter Bäumen das Doppelgrab von Carl Ramsauer und seiner Frau Meta. Er war zu Lebzeiten kaum weniger bekannt als Mitscherlich, lebte als Berliner Physiker nach Feierabend in Paulinenaue am Rothen Husaren. Dann ist da der imposante Grabstein von Professor Asmus Petersen und seiner Frau Waltraud. Als zweiter Institutsdirektor war Petersen ein charismatischer Universitätslehrer, den seine Schüler so verehrten, dass sie zu runden Geburtstagen Gendenksymposien für ihn veranstalteten und die gehaltenen Vorträge später publizierten. Wie groß das Andenken an die Gebrüder Knauer noch ist, konnte man vor wenigen Jahren erfahren, als es wenig Mühe kostete, aus dem Kreis traditionsbewusster Berliner Trabrennsportler Spendengelder für die Sanierung ihres Grabsteins zu sammeln.

Die Ruhestätte des Physikers Carl Ramsauer und seiner Frau Meta auf dem Paulinenauer Friedhof. Foto: J. Scholz, 2021.

Die Gräber der in Paulinenaue bestatteten Weltkriegssoldaten genießen besonderen Schutz. Werner Otto Weber liegt gleich rechts neben dem Eingang. Er war der Bruder von Ursula Haseloff und einer der ersten Paulinenauer, die im Zweiten Weltkrieg fielen. Seine Schwester wurde 95 Jahre alt, er starb mit 18. Dass zu seiner Beerdigung eine Abordnung seines Regiments (1 Leutnant und 30 Mann) nach Paulinenaue gekommen war und „Ehrensalven“ abgab, erscheint angesichts seines kaum gelebten Lebens als ein zynischer Ausdruck nationalsozialistischer Gewaltherrschaft. Wenig bekannt ist über das zweite Paulinenauer Weltkriegsgrab. Der Soldat Albartus Brügmann fiel am 23. April 1945. Zu diesem Zeitpunkt gab es noch keine Bodenkämpfe in der unmittelbaren Umgebung von Paulinenaue. Warum er hier bestattet wurde, ist deshalb rätselhaft und wird wohl unaufgeklärt bleiben. Seine Beerdigung fällt zudem in den kurzen Zeitraum, in dem das Kirchenbuch nur lückenhaft geführt wurde.

Weil unser Friedhof ein Denkmal ist, nicht weniger wichtig vielleicht als Bahnhof, Schloss oder Park, haben schon im Rahmen des Friedhofsjubiläums vor zwei Jahren die Evangelische Kirchgemeinde und der Kulturverein begonnen, sich über die Festlegung und Pflege von Ehrengräbern auszutauschen. Im letzten Sommer hat die Kirchgemeinde Ausführungsvorschriften zu Ehrengräbern in der Kirchengemeinde Havelländisches Luch erlassen, noch ohne zu bestimmen, welche Personen einmal ein Ehrengrab erhalten könnten. So aber ist die Möglichkeit zur Beantragung von Ehrengräbern gegeben. Hier kommt nun der Paulinenauer Kulturverein ins Spiel, der diese Anträge stellen könnte. Aus ortsgeschichtlicher Sicht sind die Grabstellen von Mitscherlich, Petersen, Ramsauer und Knauer die für Paulinenaue bedeutendsten. Der Kulturverein organisert momentan auch bereits die künftige Pflege der Ehrengräber. Denkbar ist, dass Patenschaften für je eines der Gräber übernommen werden, in die sich auch mehrere Helfende teilen könnten. Auch wenn Paulinenaue nur über begrenzte ehrenamtliche Ressourcen verfügt und der Friedhof, wie Linda Jurk schreibt, für die Kirche eine starke finanzielle und organisatorische Belastung darstellt, ist es nicht so, dass gerade niemand sich sorgt. Linda Jurk betreut ehrenamtlich vier Friedhöfe, das Grab von Prof. Mitscherlich wird seit Jahren von Familie Exner gepflegt. Gertraud Exner ist zum Glück bereit, das auch künftig zu tun.

Gertraud Exner bei der Pflege des Grabs von Prof. Eilhard Alfred Mitscherlich. Foto: J. Scholz, 2022.

Der Paulinenauer Friedhof ist ein Denkmal. Um eines der künftigen Ehrengräber zu pflegen, müssen Sie weder Kirchgängerin noch Vereinsmitglied sein. Wer sich an der Pflege von Paulinenauer Ehrengräbern beteiligen will oder einen weiteren Vorschlag für ein Ehrengrab machen möchte, kann unter dem Betreff „Ehrengrab“ eine Mail an kulturverein@paulinenaue.info schreiben.